Die Nacht ging wie immer schnell vorbei. Das Wetter am 29.07.12 war in Ordnung, sodass wir um 10:15 Uhr Richtung Norderney ausgelaufen sind. Wir konnten dann noch richtig schön segeln und sind wirklich sehr gut voran gekommen. Ich habe weiter immer die Karten studiert und berechnet, wann wir ankommen, und mit welchen Strömungen und Wasserständen wir zu rechnen haben. Nachdem wir alles mehrfach gegengerechnet haben, war klar, dass wir durch einen Stop in Norderney nichts gewinnen. Wir wären nachts um 01:00 Uhr angekommen und hätten am nächsten Morgen mit einlaufendem Wasser nach Delfzjil gegen 06:00 Uhr aufbrechen müssen. Ich habe also gerechnet und gerechnet und schlussendlich haben wir uns dafür entschieden, die Nacht durchzufahren und am nächsten Morgen in Delfzjil einzulaufen. Doch bevor wir Holland anlaufen konnten, brauchen wir eine Holland-Gastlandflagge.Wir haben sie bisher nirgendwo bekommen, daher musste Sven noch eine Hollandflagge nähen. Zum Glück hatten wir eine Polen-Flagge und ein blaues Handtuch! Perfekt!
Wir sind auch wirklich sehr gut voran gekommen, der Sonnenuntergang war wunderschön, da wir fast Vollmond hatten, war die Sicht auch noch recht gut. Doch um so dunkler es wurde umso mehr komische „Dinge“ sind vor uns aufgetaucht. Zum Glück haben diese „Dinge“ auch irgendwann ihre Weihnachtsbaumbeleuchtung eingeschaltet und so konnte man auch dank Fernglas erkennen, dass in der Nordsee überall irgendwelche Arbeitsinseln rumliegen. Tagsüber haben wir solche nie gesehen.
Sven gestattete mir dann eine kleine Schlafpause, so habe ich zwischen 01:00 und 03:00 Uhr nicht mitbekommen, dass das Wetter immer schlechter wurde und Sven mit über 30 kn Wind zu kämpfen hatte. Zum Glück hatten wir das Großsegel rechtzeitig gerefft (wir haben das Groß noch als Stützsegel geführt), das wäre jetzt ein Spaß gewesen. Die ganze Nacht hatten wir auch immer unsere Schwimmwesten an und haben uns immer abgesichert. Es hat dann auch noch gewittert und die Blitze, die wir gesehen haben, waren wirklich beeindruckend, sie erleuchteten die finstre Nacht. Als ich aufgewacht bin, hatten wir „nur“ noch 18-24 kt. Aber die Wellen waren schon bis zu 2 m hoch, sodass wir doch ziemlich durchgeschüttelt worden sind, aber eigentlich ist im Schiff so gut wie alles an seinem Platz geblieben. Die Nacht war wirklich sehr dunkel, sodass Sven weiterhin am Steuer war und ich immer wieder Ausschau hielt nach Fischern, die immer zahlreicher um uns herum auftauchten und ständig ihre Richtung änderten, sowie nach befeuerten Tonnen, die ich in meiner Karte sah. Ich war doch erfreut, dass eigentlich alle wichtigen Tonnen so gut erkennbar waren. Wir haben uns dann noch für den weiteren Weg nach Delfzjil über das befeuerte Borkumer Fahrwasser entschieden. Die Abkürzung wäre vom Tiefgang kein Problem gewesen, doch waren dort einige unbeleuchtete Tonnen. Diese hätten wir in der dunklen Nacht niemals gesehen, und wenn, dann zu spät…
Den Sonnenaufgang sehnten wir beide herbei, vor allem auch, um endlich zu erkennen, was vor uns immer herumgefahren oder auch gestanden ist. Mit dem ersten Morgenlicht konnte man dann erkennen, dass es ein Schleppverband war (mit einer Bohrinsel), dieser hat uns nachts ziemlich auf Trab gehalten, weil er sich manchmal bewegt hat und manchmal absolut still stand…
In der Einfahrt nach Holland wurde es ruhiger, aber wir merkten auch, dass wir wirklich übermüdet waren und dass die Nacht sehr anstrengend war. Hätte ich den Bericht noch ohne zu schlafen geschrieben, wäre er bestimmt spektakulärer ausgefallen, aber im Nachhinein betrachtet erscheint alles Geschaffte immer weniger dramatisch.