Es ist eine Crux mit Prognosen, vor allem, wenn sie das Wetter betreffen. Seit Tagen bahnt sich eine weitere „tropical depression“ von Osten her an. Diesmal allerdings ist sie unterhalb der Kap Verden gestartet und zieht somit sehr weit südlich Richtung karibisches Meer und bald wird klar, dass sie die kleinen Antillen treffen wird. Nervosität am Ankerplatz in St. Anne macht sich bemerkbar. Immer mehr Yachten gehen Anker auf und verholen sich in die geschützte Bucht von Le Marin. So auch wir. Wir ankern wieder an unserem erprobten Ankerplatz, wo wir wissen, dass der lehmige Ankergrund sehr gut hält. Es ist allerdings schon recht voll hier. Jeder der Ankerlieger hat alles an Kette unten, was er hat. Da das recht unterschiedliche Längen sein können, schwojen die Yachten auch sehr unterschiedlich und man weiß nie, wie man zueinander liegen wird, wenn der Wind dreht. Schwierige Situation, denn bei viel Wind und Regen und keiner Sicht, kann man dann nichts mehr machen, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Bei den mittlerweile prognostizierten orkanartigen Windstärken ist ein Eingreifen während des Sturmes eh absolut aussichtslos und alles muss vor Eintreffen der „depression“ doppelt gesichert sein. Also ankern wir um und nochmals um und beobachten, wie sich die Schiffe in unserer Umgebung gegeneinander ausrichten. Ohne Erfolg, weil es Tage vor einem Sturm immer sehr wenig Wind hat und sich damit die Yachten nicht richtig im Wind ausrichten, vor allem nicht, wenn sehr viel Kette gegeben wurde. Auch hier macht sich nun Nervosität bemerkbar. Immer mehr Yachten verlassen den Ankerplatz und setzen Segel. Wohin diese Yachten auslaufen, ist uns ein Rätsel, da die prognostizierte Zugbahn Wahrscheinlichkeiten bis herunter an die südamerikanische Küste aufweist und selbst Trinidad nicht völlig ausgenommen ist. Abgesehen davon muss man bei dem wenigen Wind, den es nun hat, erst einmal rechtzeitig hinkommen. Auch nach Norden auszuweichen ist keine Option, denn erfahrungsgemäß ziehen die Tiefdruckgebiete auf Längengraden kurz vor den Antillen meist nördwestlich und somit würde einen die „depression“ evtl. von hinten einholen. Nach einem weiteren Tag werden von verschiedenen Wettermodellen, alle basierend auf den NOAA Daten, Windgeschwindigkeiten bis 60 kn vorhergesagt und das ist für jeden Anker einfach zuviel. Es wird klar, wir müssen in die Mangroven oder irgendwo anders Schutz suchen. Die Mangroven sind die letzte Option für uns, da alle brauchbaren Plätze bereits seit Monaten besetzt sind und man da außerdem nicht wirklich sein möchte (alles mögliche Getier findet früher oder später über die Landleinen seinen Weg aufs Schiff), muss eine Alternative sozusagen in letzter Minute her. Und die kommt in Form von Chris, der gerade mit dem Dinghi vorbeischaut und auf dem Weg in die Carrenage (die örtliche Werft Carenantilles, mit gerade eben fertiggestellter „Marina“, nicht mehr als 30 Plätze am Schwimmsteg, wo man sich an Mooring zum Bug und mit dem Heck zum Steg hin festmacht) ist, um nach freien Plätzen zu fragen, womit allerdings keiner wirklich rechnet. Die „Marina“ liegt sehr geschützt und die Mooring-Bälle sind neu und sehr gut verankert. Chris kommt nach einer guten Stunde wieder und hat eine Reservierung für seine All-in, unseren Blue-Felix und Toms Cariad in der Hand. Erleichterung macht sich breit. Warum diese Plätze noch frei waren, ist uns ein Rätsel. Möglicherweise, weil sie erst seit ein paar Monaten existieren und damit noch nicht präsent sind. Wie auch immer. Nun muss das Verholen unserer Schiffe organisiert werden. Chris und Tom sind einhand unterwegs und haben außerdem beide keine elektrische Ankerwinsch. Dazu kommt, dass das Anlegen am Marina-Steg schwierig ist, da rückwärts angelegt werden muss, damit der kommende Wind das Schiff von vorne trifft. Die Mooringbälle sind sehr weit weg vom Steg gelegt, so dass bei unseren Schiffsgrößen mindestens eine zehn Meter lange Bugleine benötigt wird. Alleine ist das einhand kaum zu schaffen, also bringen Chris und ich zuerst Chris Schiff in die Marina, dann unseres, dann helfen wir Tom. Zuletzt sind noch Jürgen und Kathrin mit der Amaroo dran, die auch noch einen last Minute Platz ergattert haben. Die „Marina“ bot keinerlei Assistance, den „Marinero“ mussten wir erst aus der Kneipe holen, um ihn nach unseren Plätzen zu fragen. Auf Funk wurde sowieso nicht geantwortet. Auch scheint sich hier niemand bewusst zu sein, was da auf uns zukommt. Sabine spricht kurz mit dem Marinero, der wundert sich über den ungewohnten Andrang und denkt, es gibt 30 Stundenkilometer Wind. Hat er wohl in den Nachrichten aufgeschnappt. Waren wahrscheinlich Knoten, da ist ein Faktor 1,852 dazwischen…
Es ist mittlerweile früher Nachmittag und Chris und ich haben eindeutig zuviel Sonne abbekommen. Ich mache Pause und gehe für ein paar Stunden aus der Sonne, dann geht es los mit dem Sichern des Schiffs. Leinen werden ausgebracht, alles wird ferstgezurrt so gut es geht, aller Sonnenschutz wird abgeschlagen. Der Windgenerator bekommt seine Flügel abgeschraubt, etc. Unser dicker Felix sieht nun recht „nackt“ aus. Kurz vor Sonnenuntergang sind wir sturmsicher und machen uns auf unruhige Tage bereit…
Marina, Marina, Marina
1