2013-06-14 (Jersey nach Roscoff)
Ein Tag wie verhext! Wie geplant, haben wir am Abend noch den Hafen verlassen und uns an den Wartesteg verholt. Dort waren bereits einige Schiffe, die auch früh los wollten und wir hatten Glück, dass noch ein Platz frei war. Pünktlich um 04:00 Uhr (MESZ) haben wir dann Jersey verlassen. Mann, war das dunkel!! Es ist schon richtig, dass wir bisher immer vermieden haben bei Nacht in einen uns unbekannten Hafen einzulaufen! Wir kannten ja die Ausfahrt bereits von unserer Ankunft, aber es war wirklich schwierig überhaupt etwas zu sehen. Ein paar beleuchtete Tonnen sind im Wasser, aber dann hört es auch schon recht schnell auf und trotzdem müssen wir sehr umsichtig fahren und unseren Kurs halten, da um die Insel noch alles voller Felsen ist und wir auch bei Niedrigwasser losgefahren sind. Plötzlich ein lautes, grelles Pfeifen, wir dachten zunächst an die Wassermelder im Rumpf, doch daher kam es nicht. Nein, es war die Steuerbord-Maschine, die überhitzt war und deswegen einen Alarm gegeben hat. Also Maschine aus und mit der Backbord-Maschine weiter, der Seegang war moderat und so war das kein Problem. Kurzes Nachschauen was das Problem ist: Der Keilriemen war gerissen. Da wir noch Ersatzriemen dabei hatten, haben wir beschlossen uns weiter von der Insel frei zu machen und dann wie geplant die Segel zu setzen und wenn es hell wird, den Keilriemen zu ersetzen. Gesagt getan, gegen 06:00 sind wir gut unter Segel voran gekommen und Sven hat mal kurz den Keilriemen gewechselt, kurzer Testlauf, alles funktioniert wieder wie immer. Nach ein paar Stunden hatte der Wind keine Lust mehr sich an die Vorhersage zu halten und hat so gut wie aufgehört. Also wieder Maschine an, schließlich hatten wir noch einige Meilen vor uns und wollten nicht zu sehr rumtrödeln um nicht am Ende noch Gegenströmung zu bekommen oder bei Nacht in den Hafen einlaufen zu müssen. Tja, doch leider überhitze die Stb-Maschine aus noch unerklärlichen Gründen wieder. Unsere Theorie war, dass sie nicht ausreichend gekühlt wird, aber: was solls, wir haben ja noch die Backbord-Maschine. Wir konnten dann noch mal ein kurzes Stück segeln, aber letztendlich mussten wir mehr motoren als gedacht, da der Wind nicht ideal war, so war das alles nicht geplant! Das haben wir uns nicht so vorgestellt. Umso näher wir an die französische Küste gekommen sind umso „fälscher“ wurde die Windrichtung für uns (das hat dann überhaupt nicht mehr mit der Vorhersage zusammen gepasst) und das Meer wurde auch sehr ungemütlich. Die Wellen waren recht kurz und steil (wegen Wind gegen Strömung) und haben uns dann kräftig durchgeschüttelt. Irgendwann waren es dann nur noch 10 sm bis Roscoff, wir waren gut in der Zeit und hätten es geschafft mit mitlaufender oder gar keiner Strömung in den Hafen zu kommen. Aber es war alles andere als angenehm, die Backbordmaschine musste unter Volllast arbeiten, um überhaupt vom Fleck zu kommen. Leider verringerte sich dann plötzlich von alleine die Drehzahl bis zum vollkommenen Stillstand. Da wir noch auf Höhe von irgendwelchen Felsen waren, haben wir sofort wieder die Segel gesetzt, um uns davon frei zu segeln, auch wenn das heißt in die falsche Richtung zu fahren. Sven ist dann auf Spurensuche gegangen und es war schnell klar, die Maschine bekommt keinen Treibstoff mehr. Sven hat eine Stunde versucht, dagegen etwas zu tun und hat auch versucht einen externen Dieselkanister anzuschließen, doch alles erfolglos, da an ein effektives Arbeiten im Maschinenraum bei dem Seegang nicht zu denken war. Auch der Versuch die Stb Maschine nochmal in Betrieb zu nehmen scheiterte, da sie unter Volllast sofort überhitze. Währen Sven versuchte zu reparieren habe ich versucht so nah wie möglich unter Segeln Richtung Hafen zu kommen, wir versuchten, in Richtung Hafen zu kreuzen. Wir wussten ja, dass die Einfahrt nicht sehr schwierig ist und dass es einen relativen großen Vorhafen gibt, der für die Fähren gedacht ist. Unser Plan war, dort unter Segeln hinzukommen um dann in der Marine Hilfe anzufordern, die uns nur noch an den Steg schleppt, das hätte dann das kleine Motorboot des Hafenmeisters geschafft. Doch wir hatten bei diesem Wind und bei diesem rauen Seegang und mittlerweile dann auch gegenlaufender Strömung keine Chance näher heran zu kommen. Auch der Versuch in den alten Hafen zu kommen, der nur ein großes Becken ist, um dort einfach den Anker fallen zu lassen, scheiterte. Da die Vorhersage für die Nacht relativ viel Wind vorhergesagt hat und wir zu der Zeit schon mehr Wind hatten als gedacht, hielten wir es nicht für sinnvoll noch weiter zu segeln und zu warten bis der Wind nachlässt um dann einen Hafen aufzusuchen. Wir haben also unter verschiedenen Funkkanälen versucht den Hafen in Roscoff zu erreichen. Nach mehreren Versuchen kam dann auch eine Antwort und wir haben unsere Lage erklärt und um Abschlepphilfe gebeten. Nach einer Viertelstunde bekamen wir dann die Zusage, dass jemand kommen wird um uns abzuschleppen. Ab unserer ersten Kommunikation mit dem Hafen bis zum Eintreffen des Rettungsbootes vergingen ca. 1,5 Stunden. Da die Strömung und die Wellen sehr stark waren, hat es uns in dieser Zeit um 1 sm versetzt, sodass wir nun über 9 sm vom Hafen entfernt waren. Das Rettungsboot kam in unsere Nähe und uns wurde eine sehr lange Leine zugeworfen, die Sven dann an der Klampe hinter der Ankerwinsch befestigt hat, ich blieb in der Zeit am Funkgerät um mögliche Anweisungen entgegen zu nehmen und dann konnte es losgehen. Wir wurden mit 6-7 kt abgeschleppt, was weitaus schneller war als das, was wir unter diesen Wind- und Seebedingungen je aus eigener Kraft geschafft hätten. Es hat unglaubliche Schläge getan als Felix immer wieder hart auf die Wellen aufgekommen ist. Wir dachten beide nur: hoffentlich hält das die Klampe aus. Denn dies war alles andere als eine gleichmäßige Belastung, denn wenn wir so hart aufschlagen, dann bremst uns das unglaublich und gleichzeitig wird vorne immer noch mit unveränderter Geschwindigkeit gezogen. Nach 1,5 Stunden (es war dann mittlerweile ca. 22:00 Uhr) waren wir dann im Hafen von Roscoff und wir wurden an einen Steg gebracht und uns wurde noch geholfen, das Schiff festzumachen. Unsere „Retter“ haben sich verabschiedet, für sie war das eine Standardsituation und keine besonders schwierige Aufgabe. Sie haben sich in jeder Sekunde sehr professionell verhalten und wir hatten permanenten Funkkontakt! Vielen Dank an die SNSM (Societe Nationale de Sauvetage en Mer) für ihre schnelle Hilfe! Auch wenn wir nie in echter Gefahr waren, waren wir sehr erleichtert den langen Tag gut überstanden zu haben und nun sicher fest gemacht zu sein. Das war kein guter Tag für uns. Dabei haben wir wirklich keinen Fehler gemacht, wir sind zur richtigen Zeit losgefahren, der Wetterbericht für den Tag sah auch gut aus und auch die Seegangsprognose ließ nicht auf solch eine raue See schließen. Wir haben die Strömung richtig berechnet und wir hatten Ersatzteile dabei und Sven hat sich wirklich alle Mühe gegeben irgendetwas bei dem Geschaukele hinzubekommen, doch es sollte einfach nicht sein. Im Schiff selbst sah es aus wie im Krieg, durch die permanenten harten Schläge ist wirklich alles herunter gefallen, was nur runter fallen kann, Schränke sind aufgegangen und und und. Aber nichts ist passiert was man nicht durch aufräumen wieder in den Normalzustand bringen kann. Doch leider hat es unser Windgenerator Willi nicht so gut überlebt. Durch den starken Wind hat er wie verrückt gearbeitet, was an sich kein Problem war, doch die harten Aufschläge des Buges aufs Wasser gehen durchs ganze Schiff und damit auch bis zum Geräteträger. Das hat bewirkt, dass die schnelldrehenden Rotorblätter an den Mast des Propellers geschlagen haben und sie sich damit selbst gekürzt haben. Aber darum kümmerten wir uns nicht mehr in der Nacht, sondern sind erschöpft und erleichtert ins Bett gegangen.
2013-06-15 / 2013-06-16 (Roscoff)
Heute morgen war ein Mitarbeiter der Seenotrettung bei uns, um die Formalitäten zu erledigen. Es hat alles wunderbar funktioniert und damit ist der Fall für die Seenotrettung abgeschlossen. Für uns noch nicht, da wir immer noch nicht genau wissen, was mit den Maschinen los ist. Doch ehe der bestellte Techniker kam, hatte Sven schon das Problem der Backbordmaschine gelöst. Im Tank selbst gibt es wie wir wissen immer Ablagerungen, die natürlich die Leitung verstopfen können. Durch die vielen Schläge im Seegang wurde dieser Dreck aufgewirbelt und dann angesaugt, dadurch kam kein Diesel mehr im Motor an. Sven hat jetzt alles so weit gereinigt wie erstmal möglich und hat sich alles zurecht gelegt, um so etwas in Zukunft auch unterwegs beheben zu können. Wir werden uns jetzt um ein Pumpsystem kümmern, mit dem wir ab und zu den Diesel durch einen Filter pumpen können, um ihn anschließend direkt wieder zurück in den Tank zu pumpen, um den Diesel dadurch zu reinigen und dann hoffentlich generell weniger Dreck im Tank vorhanden ist. Auch an der Stb Maschine war Sven schon fleißig und hatte die Seewasserpumpe im Verdacht, die den Motor nicht ausreichend mit Wasser versorgt. Doch der gerufene Techniker befand alles für normal und sah das Problem nur im Keilriemen. Der erste ist wohl aus Verschleißgründen gerissen, und der Ersatzriemen war wohl nicht mehr in einem ganz so guten Zustand und war außerdem wohl zu locker gespannt. Jetzt ist einer unserer weiteren Ersatzriemen angebracht und er ist stärker gespannt. Wir haben die Maschine dann hier im Hafen gestartet und ohne einen Gang einzulegen unter Vollgas ein paar Minuten laufen gelassen. Es traten dann keine Probleme mehr auf, doch so ganz trauen wir der Sache noch nicht und wollen deshalb unseren nächsten Törn recht kurz halten um die Maschinen auf Herz und Nieren prüfen zu können.
Wir haben mit anderen Segler gesprochen, die ebenfalls am Freitag hier her unterwegs waren und sie waren auch alles andere als begeistert von den Wetterbedingungen, es war einfach total ungemütlich und damit hat keiner gerechnet. Dass an diesem Tag bei uns alles zusammen kam, war einfach nur Pech. Jetzt bleiben wir erstmal hier, wir haben noch einiges zu erledigen. Sven hat bereits Willis Flügel alle auf die gleiche Länge gestutzt, doch das Lager scheint auch nicht ohne Schaden davon gekommen zu sein, mal sehen was wir da noch retten können. Da auch das Vorsegel unterwegs nicht ohne großen Kraftaufwand aus- und einzurollen war, müssen wir auch nach der Rollanlage schauen, es muss einen Grund geben, wieso diese so schwergängig läuft. Auch im Inneren des Schiffes muss alles wieder auf Vordermann gebracht werden und einkaufen sollten wir auch mal wieder gehen. Da der Wind auch weiterhin sehr unbeständig in der Windrichtung auch sehr böig ist, bleiben wir vorerst hier, bis wir alles wieder auf Vordermann gebracht haben und die Bedingungen besser werden. Momentan heißt das, dass wir am Dienstag weiter nach Brignogan wollen. Dort werden wir an einer Mooring festmachen oder ankern um dann bei Niedrigwasser trocken zu fallen. Das gibt uns Zeit auch unseren gelben Rand auf Höhe der Wasserlinie zu entfernen, sieht nämlich nicht sehr schön aus. Es bleibt also viel zu tun und wir hoffen, dass wir bald in ein schöneres Segelrevier kommen und auch etwas Urlaubsstimmung aufkommt und wir uns etwas entspannen können.